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VEGAN CHEF

Ricky Saward – der Stern am veganen Himmel – im Interview

Vegane Küche auf Spitzenniveau

Ricky Saward war der erste, und lange Zeit einzige, vegane Sternekoch weltweit. 2019 hat er das Gourmetrestaurant Seven Swans in Frankfurt am Main übernommen und dort eine vegane Revolution eingeläutet. Und das auf Sterneniveau! Dabei steht er zusammen mit seinem Team natürlich selbst am Herd, um seine pflanzlichen Spitzenkreationen auszuprobieren und zu perfektionieren. Der Chef zeigt sich als Perfektionist, Pflanzenkenner und Künstler zugleich. Und ist dabei überaus sympathisch, erfrischend undogmatisch und authentisch.

Wir haben ihn zu seinem Weg, seiner Motivation, seinen Ideen und seinen Zielen für die vegane Küche befragt. Und wollten wissen, wie wir alle von seiner Erfahrung für alltagstaugliche vegane Gerichte mit Gourmet-Touch profitieren können.

Alles begann mit der Freude am pflanzlichen Rohmaterial

Velivery: Hallo Ricky, schön, dass wir mit dir dieses Gespräch führen können. – Wie bist du überhaupt zum Kochen gekommen bzw. weshalb bist du Koch geworden?

Ricky: Mit zarten 16 hatte ich eigentlich keinen blassen Dunst, was ich werden soll. Ich wollte nicht weiter in die Schule gehen, weil ich eher der Macher bin. Als wir von der Schule aus ein Praktikum machen mussten, hat meine Mama, die gelernte Hauswirtschafterin ist, vorgeschlagen: probier’s mal in der Großküche. Das war dann im Altenheim, also weit weg von qualitativ hochwertiger Küche.
Aber ich habe das durchgezogen und hatte von Anfang an Freude daran, aus dem Rohmaterial etwas Schönes und Schmackhaftes zuzubereiten. Ähnlich wie wenn man als Handwerker oder Künstler aus dem Material Schönes gestaltet. Um dieses Gestalten ging es und darum, dem Gast damit ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Dann habe ich drei Jahre eine klassische Ausbildung absolviert. Das war im Münsterland. Ich komme nämlich von einem Dorf an der holländischen Grenze. Besonders lockte mich im Anschluss das Ausland. Das habe ich als Chance gesehen. War zunächst zwei Jahre in Wien und dann in Australien und Neuseeland, ehe ich wieder in heimische Gefilde zurückkehrte. Das in aller Kürze.

Velivery: War das von Anfang an veganes Kochen? Oder wie kam’s dazu?

Ricky: Damals gab’s diese Diskussion noch gar nicht so. Vegan wurde ja erst in den letzten Jahren ein richtiger Trend. Am Anfang war das bei mir französisch geprägte Küche und durch Australien und Neuseeland kamen asiatische Elemente hinzu. Gemüse war eher Beilage. Niemals hatte ich auf dem Schirm, ausschließlich vegan zu kochen.

Plötzlich Top-Küchenchef im Seven Swans samt eigener Permakultur

Dann kam 2018 der Anruf des Seven Swans in Frankfurt am Main, was damals schon ein vegetarisches Sternerestaurant war. So kam ich zu meiner ersten Küchenchefstelle. Vielleicht war ich damals etwas blauäugig. Ich bin ein krasses Risiko eingegangen, denn alles war neu: Sterneküche, Teamleitung, Menüplanung, auch die vegetarische Küche etc. Ich habe es einfach gemacht. Denn so eine Chance bekommst du nicht so häufig im Leben.

Velivery: Was war im Seven Swans von Anfang an das Besondere?

Ricky: Zum Seven Swans gehörte bereits der Permakulturanbau mit einem Hektar Land in Bad Homburg. Das wollte ich von Anfang an 100%-ig authentisch durchziehen, also saisonal und regional, Farm-to-table-concept, Eigenversorgung. Das war speziell im ersten Jahr extrem anspruchsvoll: Saatgutliste, Anbauplan, Mengenberechnung, Fruchtfolge planen, mulchen, kompostieren, säen … Alles war learning by doing. Wir haben das in einem Jahr auf 3 Hektar und nach fünf Jahren auf fünf Hektar ausgebaut. Und dies nur mit zwei Mann, David Schäfer und ich, sowie drei Jungs von der Behindertenwerkstatt, weil uns dieser Ansatz auch als soziales Projekt sehr präsent ist.

Vegane Revolution im kitchen lab – was Ricky daran fasziniert

Velivery: Weshalb hast du dich dann entschieden, komplett auf vegan umzustellen? Was reizt dich an der veganen Küche?

Ricky: Es ging mir hier nie um einen Trend oder gar das Geld, was manchmal vermutet wird. Ich wollte den Ansatz mit dem Permakulturanbau ganz straight und konsequent durchziehen. Meine Küche war von Tag eins an zirka 80% vegan. Es ging eigentlich nur noch um Milchprodukte, hier Alternativen zu finden. Das war leicht. Auf Ersatzprodukte für Fleisch und Fisch habe ich verzichtet. Ich suche keinen Umweg, ich lasse sie einfach weg. Ich wollte wirklich etwas Eigenes machen, nichts ersetzen. Ich mag das Label vegan nicht so gern, weil es nur Streitigkeiten fördert. Zwischen Hype und Ablehnung. Wir haben ohnehin schon zu viele Labels in unseren Köpfen.

Ich sehe es eher als Challenge. Zum Beispiel: Wie kann ich ohne Ei backen, zum Beispiel mit Leinsamen. Unsere Küche ist dabei ein richtiges „kitchen lab“, in dem viel ausprobiert wird und wir kreative neue Wege gehen. So haben wir uns ungeheuer viel Knowhow aufgebaut. Und das Interessante ist daran, aus den regionalen Produkten immer wieder Neues rauszuholen: die Karotte, die ich auch letztes Jahr verwendet habe, diesmal wieder anders zu gestalten.

Steine & Sterne: Von Rückschlägen und höchsten Erfolgen

Velivery: Gerade die letzten drei Jahre waren da sicher auch nicht leicht.

Ricky: 2019 waren wir am Zenit mit unserem Anbauplan. Da waren wir bei 340-350 verschiedenen Kräuter- und Gemüsesorten. Dann kam Corona, und wir mussten das Restaurant von heute auf morgen schließen. Wir hatten schon ausgesät und eingekauft … Da verlieren auch die Investoren ihr Interesse. Das ist zäh. Wir hatten es nie leicht gehabt. Auch wurden wir natürlich mit unserem veganen Konzept, viel belächelt und haben reichlich Spott geerntet. 2020/2021 war nun ein massiver Rückschlag. Aber auch wenn der Weg steinig ist, ich mache weiter.

Velivery: Nach der Umstellung auf vegane Küche in deinem Restaurant hast du entgegen allen negativen Spekulationen den Stern behalten Damit warst du der erste, und lange Zeit, einzige vegane Sternekoch weltweit. Was bedeutet es für dich?

Ricky: Schwierige Frage. Ich freue mich über jede Art Auszeichnung. Es ist immer ein besonderer Moment. Am wichtigsten ist mein eigener Maßstab, meine eigenen Erwartungen an mich. Da weiß ich auch, wie viel Zeit, Passion, Energie und Tränen ich da reinstecke. Umso mehr freue ich mich über die Bestätigung für das, was ich tue. Der Stern ist natürlich der Oskar der Köche und jeder kann etwas damit Anfang. Zum Schluss geht es aber nicht um die Anzahl der Auszeichnungen, sondern bleibt es entscheidend, was die Gäste davon halten. Für sie koche ich.

Überzeugen mit Gemüse – pflanzliche Küche braucht Innovation und Liebe

Velivery: Man hört schon raus, dass dir die Beziehung zum Pflanzenanbau und zur Natur wichtig ist. Gibt es ein Gemüse, das dich besonders inspiriert?

Ricky: Da mag ich mich nicht festlegen. Ich fange ja gerade erst an, Gemüse richtig lieb zu gewinnen. Das geschieht erst, wenn man sich richtig damit auseinandersetzt, sonst bleibt es immer bloß Beilage. Blanchiert, angebraten, bestenfalls Püree. Ich untersuche intensiv Beschaffenheit, Geschmack, die vielen Sorten, die Unterschiede je nach Boden, Zubereitungstechniken, teilweise sehr alte Zubereitungsformen und probiere daraus immer etwas Neues: fermentieren, einlegen, trocknen und vieles mehr. Da schmeckt das Gemüse immer wieder anders. Es ist eine unendliche Geschichte von Geschmacksvielfalt. Aber es wird wohl noch etwas dauern, bis man allgemein versteht, dass Gemüse für das Küchenhandwerk tausend Mal anspruchsvoller und komplexer ist als ein Stück Fleisch.

Velivery: Was sind deine weiteren Ziele in der Küche?

Ricky: Ich möchte überzeugen mit Gemüse. Mit Kreativität. Ich möchte mich auch nicht mit einem Fleischrestaurant vergleichen oder mit den Hypes auf Social Media. Ich möchte etwas Eigenes machen, nicht kopieren oder ersetzen. Ich lasse mich da nicht beirren, habe mir zum Beispiel noch nie ein Kochbuch gekauft. Es ist wie bei einem Künstler, der sich von einer leeren Leinwand inspirieren lässt: Ich lasse mich von dem Rohmaterial inspirieren.

Weg vom Salatdenken, selbst kreativ werden

Velivery: Wie können Menschen noch mehr Lust auf vegane Küche bekommen? Wo können sie anfangen.

Ricky: In Deutschland ist das gar nicht so leicht. Ich habe es aufgegeben, belehren zu wollen. Den Leuten zu sagen, Fleisch ist schlecht, Gemüse ist gut. Die Fakten sprechen für sich. Aber ich bin gegen das Radikale. Missionieren halte ich für den falschen Weg. Der Fleischesser soll sich durch Geschmack und Kreativität überzeugen. Das Authentische an dieser Ernährung entdecken. Je einfacher desto besser, ohne Verwirrung durch zu viele Zusatzstoffe. Viele wollen den Tieren kein Leid mehr zufügen. Zuallererst empfehle ich also, den Fleischkonsum zu reduzieren, ihn nur noch hin und wieder zu zelebrieren. Ich kann aber auch von einem Tag auf den anderen einfach darauf verzichten. Das ist ja auch der beste Weg, um mit dem Rauchen aufzuhören. Einfach lassen. Und nicht unbedingt auf Ersatzprodukte zurückgreifen, analog dem Nikotinpflaster. Mein Tipp: sich an der gesunden pflanzen-basierten Vielfalt erfreuen!

Velivery: Tatsächlich möchten sich viele Menschen gesünder ernähren und einen Beitrag zu einer besseren Zukunft auf unserem Planeten leisten. Aus deiner Erfahrung: Wie lässt sich vegane Küche auch im (oft stressigen) Alltag leben? Und wie kann ich damit anfangen?

Ricky: Denkt nicht zu kompliziert! Viele haben bei vegan nur Rohkost im Kopf. Ich möchte die Menschen einladen, über das reine Salatdenken hinauszukommen. Dazu braucht es ein bisschen Experimentierfreude. Einfach machen: Kühlschrank auf, ein paar frische Zutaten und Geschmacksrichtungen kombinieren, sich für neue Produkte öffnen … Muss keine endlose Internetrecherche nach Rezepten sein, einfach unvoreingenommen und entspannt an die Sache rangehen. Dann wird man auch Lust bekommen, sich ab und zu mehr Zeit zu nehmen, um sich mit einzelnen Zutaten auseinanderzusetzen, sie voll auszukosten und selbst kreativ zu werden.

Schätze der Natur entdecken, regional & saisonal … der Anfang von veganer Leidenschaft

Velivery: Das sind tolle Impulse, selbst loszulegen. Möchtest du unseren Leser:innen sonst noch etwas mit auf den Weg geben?

Ricky: Ich möchte alle einladen, sich mehr mit der Natur zu befassen. Bei der Ernährung die Saison und die Region zu berücksichtigen. Was ist in der jeweiligen Jahreszeit und Region machbar? Das sind auch Fragen, wenn wir nachhaltig sein wollen. Erdbeeren müssen nicht unbedingt zu Weihnachten verzehrt werden, finde ich. Auch mal überlegen, was kann ich vielleicht selbst anbauen? Oder zumindest wo kommt mein Gemüse her? Ist es gespritzt? Ist ja verrückt, woher das Zeug überall kommt, rund um den Globus verfrachtet wird. Sich da lieber ein bisschen mit den regionalen Erzeugern auseinandersetzen. Es klingt vielleicht verrückt, aber es kann unheimlich inspirieren, wenn du vor der Haustür schaust, wenn du einfach mal durch den Wald spazierst, dich mit den Schätzen dort beschäftigst. Das ist auch noch umsonst. Und viele wissen gar nicht, welche Geschmacksfacetten sich damit erreichen lassen. Das ist ungemein spannend. Zum Beispiel mit den vielen essbaren Wildkräutern. Da gibt es viel zu kosten und zu entdecken!

Velivery: Ricky, vielen Dank für dieses (appetit)anregende Gespräch!
Ricky: Gerne.

die rezepte

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, die kreativen Gerichte von Ricky Saward nachzukochen, dann haben wir hier für dich drei Rezepte zum Ausprobieren.