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TIERWOHL

Rinderliebe: Freundschaften unter Kühen

Von Networking, Allogrooming und Harmonie im Rinderstall

In Kinderfantasien sind Kühe lila, stehen auf dem Berg und sorgen für leckere Schokolade. Im Erwachsenenalter weicht der lila Schokofantasie ein eher langweiliges Bild von der Kuh: wiederkäuend, langsam und Milch spendend gelten Kühe im Allgemeinen als eher wenig kuschelig-süß, sondern als unhandlich groß mit Potential zur Werbeikone. In der Massentierhaltung von Kühen wird es dann noch prekärer. Hier zählt nur die Milchleistung. Je mehr Liter am Tag, desto besser. Hinzu gezogen werden Euterbeschaffenheit und Milchqualität. Sentimentale Eigenschaften oder nähere Betrachtungsweisen sind hierfür nicht nötig.

„rindvieh“

Doch weder Kinderfantasie noch das langweilige Erwachsenen-Kuh-Bild oder gar der vermeintliche Leistungsgedanke der Massentierhaltung werden dem klugen „Rindvieh“ gerecht. Denn die bedächtigen Tiere mit den großen Kulleraugen und der rauen Zunge bestechen durch ihr freundliches Wesen, ihre schönen Fell-Zeichnungen und ihr großes Herz, mit dem sie sich zum Meister der Freundschaft, der Empathie und des Networkings qualifizieren. Letzteres belegt eine wissenschaftliche Studie chilenischer und amerikanischer Forscher, die sich mit sozialen Körpersignalen („Allogrooming“) bei Tieren beschäftigte und zu diesem Zweck exemplarisch eine Gruppe Milchkühe hinsichtlich ihrer sozialen Fähigkeiten unter die Lupe genommen hat. Heraus kam: Kühe bilden nicht nur Freundschaften, sondern ganze Kuh-Netzwerke – und passen sich in ihrem sozialen Umgang ihrem Umfeld an. Genauso wie wir.

Veröffentlicht wurden die beeindruckenden Ergebnisse im Fachmagazin „Frontiers in Veterinary Science“ (Understanding Allogrooming Through a Dynamic Social Network Approach: An Example in a Group of Dairy Cows, I. Freslon, J. M. Peralta, A. Strappini, G Monti, August 2020). Wer sich fragt, warum es zu Kuhfreundschaften sogar wissenschaftliche Studien gibt, erfährt hier, dass Kühe Freunde brauchen, um gesund zu bleiben und Leistung bringen zu können. Diese Erkenntnis kann somit auch für die kommerzielle Milchkuhhaltung eine Wende bedeuten, denn Kühe, die mit anderen Herdenmitgliedern lebhaft interagieren und ein gesundes Sozialleben haben, bleiben nicht nur gesünder, sondern geben auch mehr Milch. So das Fazit der Studie, die aufgrund der beschränkten Herdengröße ihrer Forschungskühe nur einen begrenzten Einblick in diese Verhältnismäßigkeit geben kann. Fakt ist: In der konventionellen Weidehaltung sehen Kühe sich häufigen Stressmomenten ausgesetzt. Eine regelmäßige Durchmischung der Herden, die Trennung von ihren Kälbern und ein wechselndes Umfeld sind nur einige Faktoren, mit denen sich die feinfühligen Tiere auseinandersetzen müssen und die einen Einschnitt in ihre Leistungsfähigkeit bedeuten können.

Kuh-Networking: immer der Zunge nach.

Doch wie funktioniert nun Networking, wenn man eine Kuh ist? Im Prinzip nicht anders als bei uns, auch wenn Art und Intensität der Kontaktaufnahme sich in praktischer Ausführung unterscheiden.  So sind unter Kühen zwar keine Influencer oder Blogger zu finden, doch wissen sie genau Bescheid, wie man sozial geschickt interagiert. Hierbei kommt ihrer Zunge eine große Bedeutung zu, denn die gegenseitige Fellpflege ist der Schlüssel zu wahrer Kuhfreundschaft. Die harmoniebedürftigen Tiere zeigen durch ihr gegenseitiges Pflegeverhalten ihren Wunsch nach Freundschaft und Bindung. Dieses „Leckverhalten“, auch soziale Körperpflege oder Allogrooming genannt, ist äußerst wichtig, um innerhalb der Herde eine größtmögliche Harmonie herzustellen. In der Regel suchen sich Kühe dabei Freunde im gleichen Alter und Rang, da hier mehr Vertrauen in das Gegenüber besteht. Alten Kühen kommt hingegen die Rolle der Vermittler zu. Sie kümmern sich besonders um die Pflege von Außenseitern und Individuen, um sie mehr in die Freundschaftsgruppe und das Kuh-Netzwerk zu integrieren. Weniger fest integriert sind junge oder sehr aktive Tiere – beide wagen es, sich regelmäßig weiter von der Gruppe zu entfernen, um ungestört und alleine zu grasen. Eben genau wie bei menschlichen Teenies, die auch gerne mal „sturmfrei“ haben.

Für den Landwirt kann das natürliche Pflegeverhalten seiner Kühe ein Indiz für die Herdengesundheit sein. Nimmt es ab oder kann es nur noch selten beobachtet werden, kann dies ein Zeichen für eine Störung in Gesundheit oder Herdenverband sein. Mit gesundheitlichen und sozialen Problemen würde wiederum die erzielte Milchmenge Einschnitte erfahren, sodass die Herdenharmonie unbedingt wieder herzustellen ist, um von seinen Kühen Leistung zu erwarten.
Geht es nach der Wissenschaft, so können das Glück und die Gesundheit der Kühe dadurch unterstützt werden, dass die Weidekonstellationen so wenig wie möglich verändert werden. Feste Gruppen bedeuten langfristige Freundschaften, welche die Kühe mental und gesundheitlich stärken. Und diese emotionale „Nebensache“ kann direkt in Milchliter umgerechnet werden. Das freut dann auch weniger emotionale Gesellen. Und uns, weil diese tollen Tiere sich ganz ihrem freundschaftlichen Instinkt hingeben können.